Tag 0 - das Jahr davor
Es geht schon wieder los. Es ist wieder der eine Tag vor der Abfahrt, der so gar keinen Spaß macht, weil ich mir noch einmal alle Dinge überlege, die schiefgehen können. Und irgendwie ist schon so viel schief gelaufen. Bis vor 3 Tagen habe ich insgesamt 7 Zugtickets besessen und 2 Fährüberfahrten. Im Mai habe ich hoffnungsvoll meine Reise nach Schottland gebucht und im Juni kam dann dieses Deltavirus. Also umplanen, Richtung Süden nach Grenoble. Dieser Zug wurde dann von der Bahn wieder gestrichen und ich hätte als Alternative 6-mal umsteigen müssen und wäre wohl damit nie angekommen. Dann der dritte Notfallplan war Salzburg. Nach drei Besuchen der Heidelberger Schalterhalle habe ich nun für morgen ein Ticket mit zwei Mal Umsteigen, leider keine Reservierung für den dritten Zug. Das Problem ist ja das Fahrrad mit den limitierten Stellplätzen. Das Rückticket wurde dann auch widerrufen von der Bahn und ich fahre nun einen Tag später zurück als geplant. Falls die Deutsche Bahn AG keine anderen Pläne mit mir hat.
Es ist August und damit Sommer, also Urlaub. Aber es fühlt sich nicht so an. Die Welt ist im Krisenmodus und das Klima erst recht. Es geht nach Österreich, was mittlerweile die meisten Deutschen genauso wie ich für Ausland halten. Anhand dieses kleinen bergigen Landes werde ich exemplarisch feststellen, ob der der schlechte Ruf und der üble Schein dieser Welt auf gefühlten Wahrheiten oder knallharten Fakten beruhen.
Mein Zug endet morgen in Salzburg und Luciano wird schon da sein. Das ist ein fettes Atlantiktief, das schon für jede Menge Warnmeldungen und Unwetterprognosen sorgt. Dieser Urlaubseinstieg hat sich in den letzten Jahren bei mir etabliert. Ich bin heute noch bei 30 Grad durch das Heidelberger Kraichgau geradelt und werde morgen wie gewohnt die Regensachen ganz oben in den Radtaschen verstauen. Diese Form des Reisens hat den riesigen Vorteil, dass wirklich kein Neid aufkommt. Um der vollständigen Abwesenheit von Convenience entgegenzuwirken, habe ich heute noch schnell ein B&B gebucht, um nicht gleich am ersten Tag total nass einzuweichen.
Es ist August und damit Sommer, also Urlaub. Aber es fühlt sich nicht so an. Die Welt ist im Krisenmodus und das Klima erst recht. Es geht nach Österreich, was mittlerweile die meisten Deutschen genauso wie ich für Ausland halten. Anhand dieses kleinen bergigen Landes werde ich exemplarisch feststellen, ob der der schlechte Ruf und der üble Schein dieser Welt auf gefühlten Wahrheiten oder knallharten Fakten beruhen.
Mein Zug endet morgen in Salzburg und Luciano wird schon da sein. Das ist ein fettes Atlantiktief, das schon für jede Menge Warnmeldungen und Unwetterprognosen sorgt. Dieser Urlaubseinstieg hat sich in den letzten Jahren bei mir etabliert. Ich bin heute noch bei 30 Grad durch das Heidelberger Kraichgau geradelt und werde morgen wie gewohnt die Regensachen ganz oben in den Radtaschen verstauen. Diese Form des Reisens hat den riesigen Vorteil, dass wirklich kein Neid aufkommt. Um der vollständigen Abwesenheit von Convenience entgegenzuwirken, habe ich heute noch schnell ein B&B gebucht, um nicht gleich am ersten Tag total nass einzuweichen.
Tag 1 - mit der Bahn nach Salzburg - 16. August 2021
Travelling with Deutsche Bahn - eines der letzten großen Abenteuer. Wenn du den Zeitplan für die Umsteigeverbindungen im Kopf hast und du ständig am Rechnen bist, ob noch irgendetwas heute funktionieren könnte, dann hast du den Urlaub bitter nötig. Schon nach der ersten Etappe nach Stuttgart hat sich die Planerei erübrigt. Der Zug hält auf offener Strecke, wenn ihm danach ist oder es die Höflichkeit gebietet oder vielleicht Rechts vor Links. Ankommen ist die Devise, der Zeitpunkt ergibt sich schon. In Stuttgart orientiere ich mich neu: wer bin ich, wo will hin, ist das schon Teil der Meditation? Eins nach dem anderen.
Und wenn ich gerade eins geworden bin mit der augenblicklichen Himmelsrichtung, kommen immer wieder diese Schreckmomente, wie ich denn meinen elektrischen Transporter in diese Wagons reinbekomme. Die Spielregeln sind folgende: das Zugpersonal ist angehalten, beim Einstieg NICHT zu helfen, als kleine erzieherische Maßnahme. Zuerst muss ich die 62 Kilo Fahrrad eben selber über diese klaffende Klüfte zwischen Bahnsteig und Bahn bugsieren, um dann die zwei steilen Stufen vor mir zu haben, die die älteren Menschen davon abhalten sollen, sinnlos in der Weltgeschichte umeinander zu fahren. In den EC-Zügen muss ich mein Fahrrad an einen Haken an der Decke hängen, um Platz zu sparen. Diese Haken sind ausgelegt für das Nachkriegsvolksvelo mit schmalen Reifen. Ich komme da nicht rein! Der Schaffner steht neben mir und erzählt etwas von Industriestandard und ich müsste im Folge leisten, sonst flöge ich aus dem Zug. Ich atme ein und raste aus. Nein, das nicht. Umgekehrt. Ich habe mir das bei allen meinen Freundinnen abgeschaut. Ich nenne das weichen Widerstand. Frauen können das, ist in den Genen. Den Männern kommt da immer der Testosteron-Rausch dazwischen. Also zuerst die Fahrradtaschen vom Gepäckträger. Das dauert, weil die wieder so verhakt sind. Dann bringe ich die Taschen zu meinem Sitzplatz, damit keiner darüber stolpert. Dann erster Versuch, es ist ein bisschen zu eng. Der Schaffner ganz Industriestandard: nur Beobachter, kein Eingreifen, quasi UNO beschränktes Mandat. Am Ende verliert immer einer die Geduld, und das ist der Mann.
Wenn ihr nun die zarte Hoffnung habt, das Thema Deutsche Bahn wäre durch, habt ihr euch so was von geschnitten. Es gibt da einen Satz auf der Fahrkarte, den ich euch nicht ersparen kann: Nehmen Sie bitte Ihr Gepäck vor dem Einsteigen vom Fahrrad. Jetzt bitte einen Moment innehalten und sich das Prozedere vorstellen. Drei Taschen hängen und würgen an meinem Hals und gleichzeitig mache ich den Kletterkurs in das Abteil? Das Doppelbett des Pabstes ist dagegen ein Leuchtturm der Sinnhaftigkeit. Bitte suchen Sie zuerst Ihren reservierten Sitzplatz auf und holen dann Ihr Gepäck vom Bahnsteig nach, wenn sich das dann nicht schon erübrigt hat.
Und wenn ich gerade eins geworden bin mit der augenblicklichen Himmelsrichtung, kommen immer wieder diese Schreckmomente, wie ich denn meinen elektrischen Transporter in diese Wagons reinbekomme. Die Spielregeln sind folgende: das Zugpersonal ist angehalten, beim Einstieg NICHT zu helfen, als kleine erzieherische Maßnahme. Zuerst muss ich die 62 Kilo Fahrrad eben selber über diese klaffende Klüfte zwischen Bahnsteig und Bahn bugsieren, um dann die zwei steilen Stufen vor mir zu haben, die die älteren Menschen davon abhalten sollen, sinnlos in der Weltgeschichte umeinander zu fahren. In den EC-Zügen muss ich mein Fahrrad an einen Haken an der Decke hängen, um Platz zu sparen. Diese Haken sind ausgelegt für das Nachkriegsvolksvelo mit schmalen Reifen. Ich komme da nicht rein! Der Schaffner steht neben mir und erzählt etwas von Industriestandard und ich müsste im Folge leisten, sonst flöge ich aus dem Zug. Ich atme ein und raste aus. Nein, das nicht. Umgekehrt. Ich habe mir das bei allen meinen Freundinnen abgeschaut. Ich nenne das weichen Widerstand. Frauen können das, ist in den Genen. Den Männern kommt da immer der Testosteron-Rausch dazwischen. Also zuerst die Fahrradtaschen vom Gepäckträger. Das dauert, weil die wieder so verhakt sind. Dann bringe ich die Taschen zu meinem Sitzplatz, damit keiner darüber stolpert. Dann erster Versuch, es ist ein bisschen zu eng. Der Schaffner ganz Industriestandard: nur Beobachter, kein Eingreifen, quasi UNO beschränktes Mandat. Am Ende verliert immer einer die Geduld, und das ist der Mann.
Wenn ihr nun die zarte Hoffnung habt, das Thema Deutsche Bahn wäre durch, habt ihr euch so was von geschnitten. Es gibt da einen Satz auf der Fahrkarte, den ich euch nicht ersparen kann: Nehmen Sie bitte Ihr Gepäck vor dem Einsteigen vom Fahrrad. Jetzt bitte einen Moment innehalten und sich das Prozedere vorstellen. Drei Taschen hängen und würgen an meinem Hals und gleichzeitig mache ich den Kletterkurs in das Abteil? Das Doppelbett des Pabstes ist dagegen ein Leuchtturm der Sinnhaftigkeit. Bitte suchen Sie zuerst Ihren reservierten Sitzplatz auf und holen dann Ihr Gepäck vom Bahnsteig nach, wenn sich das dann nicht schon erübrigt hat.
Jetzt ist mir wohler. Ich will ja nicht schlecht reden über die Bahn. Ich mein ja nur. Bin angekommen in Salzburg und oh wundersame Wetterwandlung: die Sonne scheint und ich zwirbele mich aus diversen Lagen Fleece. Wenn auf etwas Verlass ist, dann auf das Regenradar. Nicht Polizei, Feuerwehr oder Herr Doktor, wo es auch mal Ausreißer nach unten gibt. Das Regenradar spricht mit mir, ich habe noch zwei Stunden zu meiner Arche, dann kommt die Sintflut. Es geht schnell aus der großen Stadt heraus auf der Trasse einer ehemaligen Zugstrecke. Rechts gehen die Berge los, Blick auf den wilden Kaiser. Links kommen die Wolken und werden immer dunkler. In meiner gestrigen Panik vor einer Überschwemmung im Zelt habe ich ein richtiges Bett gebucht und die 35 Kilometer dahin gilt es trocken zu radeln. Ich bin schon um 17 Uhr in meinem Zimmer und schaue genussvoll in das Unwetter vor meinem Fenster.
Tag 2 - hoch in die Berge - 17. August 2021
Was man als Kind gelernt hat, das verlernt man nicht und ich kann Frühstück. Und Buffet ist die Königsdisziplin.
Mit den letzten Tropfen des nächtlichen Gewitters , eingemümmelt in sämtlichen Schichten meiner Outdoorcollection geht es abwärts zum Mondsee. Die Uferstraße ist zum Teil getunnelt, nur für die Radler. Vermutlich ein ehemaliger Straßentunnel.
Dann geht es auf einem schmalen Schotterweg richtig bergauf. Erster Gang und den Boschturbo. Nichts schwieriges, aber 800 Höhenmeter. Hier oben ist dann pralles Österreich: Almen, Berggipfel, tiefe Schluchten, Kühe mit diesem Gebimmelbammel, dass es mein verstädtertes Herz nur so erwärmt.
Dann geht es auf einem schmalen Schotterweg richtig bergauf. Erster Gang und den Boschturbo. Nichts schwieriges, aber 800 Höhenmeter. Hier oben ist dann pralles Österreich: Almen, Berggipfel, tiefe Schluchten, Kühe mit diesem Gebimmelbammel, dass es mein verstädtertes Herz nur so erwärmt.
Jetzt kommt der schwierige Teil. Komoot sagt, es wären über 20% Steigung, Google sagt, man darf gar nicht fahren. Am Weg ist dann auch ein Stoppschild, dass wegen Steinschlag gesperrt ist. Wenn ich nicht durchkommen, muss ich die letzten 20km bis Bad Ischl zurück und auf der Straße weitere 50km zum Zeltplatz.
Ich probiere es und die Strecke ist echt eine Schönheit. Links und rechts gehen die Felswände hoch, der Gebirgsbach und der Weg streiten sich um die beste Route. Ja schon, ein paar Steinbrocken, aber es geht immer weiter. Irgendwann passiere ich die Stelle, bei der man von der anderen Seite blockiert wird. Dann habe ich es geschafft.
Zwei Kilometer weiter kommt eine Freizeitanlage mit Kirmes und Funpark. Jetzt kannst du den Förster verstehen, der sagt, das Tal gehört mir. Macht er ein paar Schilder mit Steinschlag und schon bleibt es ein Naturparadies.
Zwei Kilometer weiter kommt eine Freizeitanlage mit Kirmes und Funpark. Jetzt kannst du den Förster verstehen, der sagt, das Tal gehört mir. Macht er ein paar Schilder mit Steinschlag und schon bleibt es ein Naturparadies.
Und wieder geht es runter ins Tal nach Altaussee zum Zeltplatz. Absoluter Sahneplatz zwischen den alten Bauernhöfen mit Blick auf die hohen Berge. Jetzt könnte ich zu Fuß zum Altaussee spazieren, aber es scheint die Sonne und lege mich auf die Matratze vors Zelt.
Die erste Nacht im Zelt. Jetzt fühlt es sich nach Urlaub an. Es ist richtig kalt draußen, aber ich habe einen neuen super dicken Schlafsack. Ich liege etwas abschüssig. Bergiges Land eben.
Die erste Nacht im Zelt. Jetzt fühlt es sich nach Urlaub an. Es ist richtig kalt draußen, aber ich habe einen neuen super dicken Schlafsack. Ich liege etwas abschüssig. Bergiges Land eben.
Tag 3 - Hallstadt - 18. August 2021
Der Regen tröpfelt die ganze Nacht aufs Zelt. Abends ist das sehr gemütlich, morgens komme ich ins Grübeln. Mein treues Regenradar übt sich in Rätseln. Aber ich habe hinten Hummeln und packe im Zelt schon alles dicht ein, noch schnell die Nase pudern, ab zum Bäcker, und dann geht es 1000 Höhenmeter auf regentiefen Fortswegen nach oben.
Wegen den österreichischen Dörfern machst du hier keinen Urlaub. Hier ist zuviel Geld in die alten Häuser gesteckt worden, um uns fremden Menschen jeden Komfort zu ermöglichen, im Sommer und im Winter. Überall dieses pseudoromatische disneyeske Geranienkalifat. Ganz Österreich, nein ein kleines Dorf an einem tiefen See in der Steiermark soll all unsere Sehnsucht nach der heilen Bergwelt erfüllen. Jeder kennt die Bilder von diesem Hallstadt. Da will ich heute hin.
Wegen den österreichischen Dörfern machst du hier keinen Urlaub. Hier ist zuviel Geld in die alten Häuser gesteckt worden, um uns fremden Menschen jeden Komfort zu ermöglichen, im Sommer und im Winter. Überall dieses pseudoromatische disneyeske Geranienkalifat. Ganz Österreich, nein ein kleines Dorf an einem tiefen See in der Steiermark soll all unsere Sehnsucht nach der heilen Bergwelt erfüllen. Jeder kennt die Bilder von diesem Hallstadt. Da will ich heute hin.
Das Dorf liegt an einem See, der komplett von schroffen Bergen eingerahmt wird. Ich fahre auf einem Trampelpfad auf dem gegenüber liegenden Ufer zur Fährstation. Dort gibt es keine Straße, aber einen winzigen Bahnhof. So werden ein paar Zugreisende zusammen mit mir auf dem kleinen Schiff zu dem berühmten Dorf geschippert. Und ja, es ist schon sehr nett hier. Man spaziert zur oberen Kirche mit einem Gebeinhaus. Dort hat man die Toten nach 20 Jahren wieder aus der Erde geholt, Oma und Opa grundgereinigt und dann richtig nett beschriftet und bunt angemalt.
Wenn du immer nur in deinem Dorf nach deiner Liebsten suchst, dann passieren halt Sachen, wo sich andere nun wieder wundern tun.
Schön ist es schon, aber es ist ein Geschnattere und Gepose, #hallstadt und du wirst auf insta powergelikt. Ich fliehe wieder auf die Alm, die Koppenalm. Aber vorher ein Highlightel, ein wunderschönen einsamen See in sämtlichen Grüntönen. Ich lasse mein Spielzeug in den Himmel und knipse von oben.
Wenn du immer nur in deinem Dorf nach deiner Liebsten suchst, dann passieren halt Sachen, wo sich andere nun wieder wundern tun.
Schön ist es schon, aber es ist ein Geschnattere und Gepose, #hallstadt und du wirst auf insta powergelikt. Ich fliehe wieder auf die Alm, die Koppenalm. Aber vorher ein Highlightel, ein wunderschönen einsamen See in sämtlichen Grüntönen. Ich lasse mein Spielzeug in den Himmel und knipse von oben.
Auf der Koppenalm gibts Strudel und Kaffee. Beides frisch aufgetaut. Gleich kommt der Almwirt noch einmal vorbei und stellt mir eine uralte Fahrradpumpe auf den Tisch: es gibt Arbeit. Tatsächlich hat er längst vor mir bemerkt, dass ich einen Platten habe. Ich sage natürlich Dankeschön und meine ganz positiv: der Reifen ist ja nur unten platt. Aber innerlich gibt es einen Adrenalinschub. Eigentlich habe ich diese unplattbaren Mäntel, und genau deswegen keine Übung im Reifenflicken. Der Übeltäter ist schnell gefunden, ein 2cm langer Nagel. Deswegen finde ich das Loch noch lange nicht und habe jetzt keinen weiteren Ersatzschlauch.
Uhh, war das ein langer Tag und ich habe gerade 65km geschafft. Es ist schon fast dunkel und ich bekomme den letzte freien Flecken auf dem Campingplatz. Schnelle Katzendusche, die Nachbarn um eine Steckdose angefragt, damit es morgen weitergeht. Gute Nacht, liebe Welt.